Uber - noch immer kein Beitrag für Mobilität und Beschäftigung in Deutschland

11. Dezember 2022 von Redaktion

Die AG Taxi wünscht sich von ver.di klare Kante gegen Uber. Die Position der Gewerkschaft teilen wir. Nun müssen sechs Jahre nach der offiziellen Positionierung endlich Taten folgen. Die in den vergangenen Jahren neu geschaffenen Mindestlohn- und Personenbeförderungsgesetze bieten dafür reichlich Werkzeuge. Wir appellieren an die Mitarbeiterinnen und MItarbeiter des neuen Fachbereichs Öffentliche und private Dienstleistungen, Sozialversicherung und Verkehr, der richtigen Positionierung Taten folgen zu lassen. Die AG Taxi hat dazu grundlegende Forderungen und Arbeitsschritte entwickelt.

Unter dem ULR https://verkehr.verdi.de/++file++581099f7f1b4cd23c2420187/download/ver%20di_MeMo%20Uber%2010_2016.pdf beschreibt die Bundesfachgruppenleiterin Straßenpersonenverkehr und Schienenverkehr Mira Ball im Oktober 2016 die Position von ver.di zum multinationalenx, US-gesteuerten Konzern Uber und seinen Beschäftigungsverhältnissen.

Mira Ball schreibt sehr deutlich:

Die rasant fortschreitende Entwicklung der Sammlung, Vernetzung und ergebnisorientierten Verarbeitung großer Datenmengen führt zu umfassenden Umwälzungsprozessen in allen
wirtschaftlichen Sektore Datenplattformen, die durch die Zusammenführung und Verarbeitung von Daten, Prozesse in Industrie, Produktion, Dienstleistung und Handel vereinfachen und optimieren. Eine Ausprägung dieser Innovationen sind auch Apps für vorzugsweise multimodale und räumlich übergreifende Mobilitätsauskünfte, wobei die marktführende ausführende Instanz (branchenfremde IT-Konzerne, Nahverkehrsunternehmen, Verkehrsverbünde) wie auch der ökonomische Output heute noch offen ist.
Eine Folge im Mobilitätsmarkt ist die Herausbildung dessen, was als unabhängige Plattformökonomie bezeichnet wird. Sie hat unterschiedliche Ausprägungen, Beispiele sind Reisebuchungsportale, die Verträge mit Hotels oder Fluggesellschaften abschließen bzw. Kontingente einkaufen oder die Fernbusfahrtenanbieter, die als direkte Vertragspartner der ausführenden Busunternehmen eine einflussreiche Stellung gegenüber ihren Subunternehmern haben und diese auch bis in die Betriebssteuerung hinein ausnutzen.

Auch Uber ist als Plattformökonomie einzuordnen, das Geschäftsmodell basiert allerdings auf der Vermittlung von durch Privatpersonen angebotene Personenbeförderungsleistungen. Dabei bestimmt Uber den Beförderungspreis, setzt die Vermittlungsgebühr fest, gibt den Fahrern eine Reihe Regularien vor und kann auch die Vermittlung gezielt steuern. Uber bemüht sich weltweit mit aktivem Lobbying darum, als innovativer Mobilitätsdienstleister anerkannt zu werden und geht dabei auch den Weg, gegen nationale Gesetzgebungen seine Dienste anzubieten.
Weltweit hat die Mehrheit der Staaten Bedingungen für erfolgreiche, kundenorientierte Verkehrsbedienung im Personenverkehr festgelegt, die von allen Dienstleistern eingehalten werden müssen. In Deutschland regelt das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) den Taxen- und
Mietwagenverkehr. Taxen haben 3 Hauptpflichten zu erfüllen, die ein System wie Uber es anbietet, nicht erfüllen kann: Beförderungspflicht – jeder Fahrgast muss befördert werden, Betriebspflicht – in der Region, wo das Unternehmen die Konzession hat, müssen regelmäßig Fahrten angeboten werden, Tarifpflicht – die Preise werden von der Kommune festgelegt.

Taxifahrten werden in Deutschland im Allgemeinen über Taxenzentralen vermittelt, wodurch auch die Betriebspflicht gesichert wird, an denen die örtlichen Taxenunternehmen beteiligt sind (finanziell und steuernd über Satzungen und Versammlungen). Mit „MyTaxi“ gibt es zudem eine App, die selbständige und angestellte Fahrer gleichermaßen diskriminierungsfrei nutzen können. Die digitale Anwendung, mit der Uber arbeitet, ist im Taxenmarkt bereits eingeführt, allerdings innerhalb der geltenden Regulierungen (Gewerbeanmeldung, Steuerregime, Beschäftigtenstatus für Arbeitnehmer, kommunal fixierte Tarife).

Die Innovation von Uber besteht in der Umgehung bestehender Regulationen der Personenbeförderung mit dem Ziel der Vermeidung eines Beschäftigtenstatus.

Uber versuchte in Deutschland zunächst, die Regulationen für die Personenbeförderung mit der Behauptung, man biete Mitfahrgelegenheiten an, zu umgehen und fordert nun ihre Abschaffung. Die Regulationen im Mobilitätsmarkt sind begründet, sie wurden zum Schutz der Kunden, zur Preisregulation und zur Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung eingeführt. Sie binden die Dienstleister an bestimmte Bedingungen, die sie nur mit einem Gewerbe erfüllen können. Dabei spielen der Personenbeförderungsschein und die Ortskenntnisprüfung eine untergeordnete Rolle.

Entscheidend für das Geschäftsmodell von Uber sind die Abschaffung der Betriebs-, Tarif- und Beförderungspflicht, dieses kann eine reine Vermittlungsplattform nicht gewinnbringend umsetzen.
Dazu sind ein Gewerbe und bei der Beschäftigung mehrerer Fahrer der Arbeitgeberstatus notwendig.

Neu an Uber ist Profiterwirtschaftung durch die Umgehung des Beschäftigtenstatus und der Arbeitnehmerschutzrechte. Unsere Arbeitsgesetzgebung ist auf Anbieter wie Uber nicht ausgerichtet. Es gibt keine klare Antwort auf die Frage, ob die Fahrer Arbeitnehmer sind, ob und welche Arbeitszeitvorgaben gelten, ob der Mindestlohn gilt und welche sozialrechtlichen und steuerrechtlichen Ansprüche daraus folgen. Uber bestreitet, dass seine Fahrer Arbeitnehmer sind. Die New York Times bringt das Problem mit dem Begriff der „Uberization of Work“ auf den Punkt. Das Geschäftsmodell wird möglich und für Uber attraktiv, da die Fahrer effektiv auf Abruf und ohne jegliche Zusicherung eines Arbeitsvolumens oder Lohns für das Unternehmen tätig sind. Zugleich fallen keinerlei Kosten für Sozialversicherungen, Einkommenssteuer oder Altersversorgung an. Diese Kosten, die jeder Arbeitgeber zu tragen hätte, machen die Gewinnmarge von Uber aus. Nur ihre Einsparung macht das Angebot betriebswirtschaftlich sinnvoll. Würde Uber in Deutschland zugelassen, wären die Gewinne von Uber der Betrag, welcher den Fahrern und unserem Sozialsystem gegenüber einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis entzogen würde. Auch die Steuerbehörden sind nicht auf das Geschäftsmodell von Uber eingestellt.

Scheinselbstständige Fahrer unterliegen keiner Arbeitszeiterfassung und keinen Höchstarbeitszeitgrenzen oder Pausenvorgaben. Daraus ergibt sich ein sicherheitsrelevantes Problem für Kunden und andere Verkehrsteilnehmer sowie für mögliche andere Arbeitgeber der Fahrer. Auch die Haftungsfrage hinsichtlich des erheblichen Risikos von Personenschäden in der Personenbeförderung ist in diesem Kontext unklar. Das unternehmerische Risiko wird voll auf die Fahrer verlagert. Uber verlangt im Schnitt eine Vermittlungsgebühr von 20 Prozent des Fahrpreises, verändert jedoch die Vertragsbedingungen auch einseitig.
Wie ist Uber gemessen am Innovationspotential und Mobilitätsdienstleistung für die Kunden einzuordnen?

Uber ist kein innovativer Mobilitätsdienstleister und keine besonders bemerkenswerte Neuheit im Hinblick auf die EDV mit Ausnahme der Masse der Daten, die verarbeitet werden. Uber vermittelt eine Dienstleistung, die auf dem deutschen Markt bereits überwiegend in ausreichendem Umfang angeboten wird. Neu sind die avisierten Ausführenden: Privatpersonen, die das volle Risiko tragen ohne zugleich eine Zusicherung für Aufträge zu erhalten. Die bisherige Begrenzung der Konzessionen, von den Kommunen zum Schutz der Marktteilnehmer Gebrauch machen können, würde entfallen. Reguläre Taxenunternehmen würden ihre Beschäftigten nicht mehr mit ausreichendem regelmäßigen Auftragsvolumen einsetzen können.
Uber ist keine sharing economy. Das Konzept dient der Gewinnerwirtschaftung sowohl für Uber als auch für die Fahrer. Vermittelt wird eine Dienstleistung, die von scheinbar Selbständigen angeboten wird.

Uber kann keine ausreichende Verkehrsbedienung der Bevölkerung sicherstellen. Da es mit Uber keine Betriebspflicht mehr geben kann, müssten sich für ein ausreichendes und regelmäßiges Angebot genügend freiwillige Fahrer bereitfinden und die Verkehrsdienstleistung den Kunden regelmäßig zur Verfügung stellen. Die Löhne im Taxenmarkt liegen heute gerade so auf Mindestlohnniveau. Gerade im ländlichen Raum ist es unwahrscheinlich, das Uber genug regelmäßige Fahrer finden kann. Für Uber entstünde dadurch kein Problem, da der Konzern nur Interesse hat, dort anzubieten, wo das Geschäftsmodell funktioniert und sich andernorts nicht im Markt engagiert.

Uber kann und will heutige Qualitätsstandards des Taxen- und Mietwagenverkehrs nicht einhalten. Uber will sich weder den Qualifikationsanforderungen an die Fahrer noch den
Kontrollinstanzen der bisherigen Personenbeförderung unterwerfen. Derzeit können Kunden von Taxen und Mietwagen bei grobem Missverhalten der Fahrer bei den Behörden Beschwerden vorbringen. Die Behörden haben die Möglichkeit, den Unternehmen die Konzessionen zu entziehen. Die Sicherung der heutigen Qualität der Dienstleistung durch diesen Kontrollzusammenhang ist nicht zu unterschätzen.
Uber führt zu unkontrollierter Preisentwicklung. Heute setzen die Kommunen die Preise für Taxen- und Mietwagenbeförderung fest, der Fahrgast kann sich über den Preis sicher sein, die Beförderungsleistung soll erschwinglich bleiben. Eine Auflösung der Tarifpflicht würde je nach Marktlage zu unkontrollierter Preisentwicklung führen. Uber nutzt nach Medienangaben zur Preisermittlung einen Algorithmus aus Angebot, Nachfrage, Wetterlage und weiteren Faktoren (sog. surge pricing). Demzufolge würden gerade in ländlichen Regionen nach Betriebsschluss des ÖPNV die Preise steigen. Die Preisfestsetzung erfolgt jedoch auch, um Fahrer zu animieren oder völlig willkürlich wie beispielsweise direkt nach der Geiselnahme im australischen Sydney im Dezember 2014, damals hatte Uber die Preise plötzlich verdreifacht.
Uber bietet keine Transparenz bei der Berechnung des Fahrpreises und der Einnahmen. Das Taxameter ermöglicht es dem Kunden, während der Fahrt zu überprüfen, ob er den richtigen Preis zahlt. Es wird außerdem von den Behörden bei Steuerprüfungen genutzt, um die Einnahmen des Unternehmens zu überprüfen. Zukünftig soll auch die Fahrerarbeitszeit zur Sicherung des Arbeitsschutzes und der Verkehrssicherheit festgehalten werden. Uber dagegen nutzt eine selbstentwickelte App, die nicht geeicht ist.

Fazit

Das Geschäftsmodell von Uber basiert auf der Umwandlung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen in informelle Arbeit. Nur auf diesem Wege kann die Plattform im Taxenmarkt einen Gewinn erzielen. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Preise für die Kunden sinken, denn bei Uber findet kein Wettbewerb verschiedener Dienstleister statt. Im Gegenteil, die heutige Preisbindung würde aufgehoben. In Deutschland ist weitestgehende Mobilität durch den öffentlichen Nahverkehr und in seiner Ergänzung durch den bestehende Taxen- und Mietwagenmarkt gegeben. Für eine Mobilitätsdienstleistung wie Uber gibt es im Grunde keinen Bedarf. Es ist äußerst fraglich, ob in den verschiedenen Lebensräumen und besonders im ländlichen Raum genügend Menschen bereit wären, als Fahrer für Uber dauerhaft und regelmäßig tätig werden. Beschäftigungseffekte begrenzen sich auf die Schaffung von Minijobs für Selbständige. Ver.di begrüßt ausdrücklich die Einschätzung des Bundeswirtschaftsministeriums aus dem März dieses Jahres: "Eine Verdrängung von vollwertigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen durch Minijobs für Selbständige ist wenig wünschenswert."* Durch eine Zulassung von Uber wären weder auf dem Arbeitsmarkt noch für Kunden noch als Mobilitätslösung im ländlichen Raum positive Effekte zu erzielen. Im Gegenteil, insbesondere durch eine Gefährdung des Taxenmarktes würde auch die umfassende Verkehrsbedienung der Bevölkerung gefährdet.

Quellen:

Managermagazin und Spiegel-Online 17.03.2016, "Wenig wünschenswert" Minister Gabriel attackiert Uber-Chef Kalanick
http://www.manager-magazin.de/unternehmen/it/uber-faellt-bei-wirtschaftsminister-gabriel-durch-a-1023939.html

Umstrittener Fahrdienst, Gabriel kanzelt Uber ab, 17.03.2015
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/uber-faellt-bei-gabriel-durch-a-1023997.html

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